Der Problemlöser

Wenn Firmen eine gewisse Größe erreicht haben, ist die betriebswirtschaftliche Auswertung irgendwann nicht mehr so leicht überschaubar, finanzielle Fehlentscheidungen sind die Folge. Doch klassischen Unternehmensberatern sind die Sorgen mittelständischer Unternehmen meist nicht monetär groß genug. Wie gut, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Während andere das sinkende Schiff verlassen, wirft Marcus Linnepe den Unternehmen einen Rettungsring zu: Eine bezahlbare digitale Finanzplanungssoftware für Mittelständler.

Es beginnt mit einer Reise. Der junge Marcus Linnepe hat gerade seine Ausbildung zum Schlosser und Industriekaufmann erfolgreich abgeschlossen und will nun erste Erfahrungen im Ausland sammeln. Die Sonne zieht ihn nach Kalifornien, wo er mit Joint-Venture-Partnern die Expansion des eigenen Familienunternehmens vorantreiben soll. Dort lernt er auch seinen Mentor, Tom Faludy, kennen, der ihm das kleine Einmaleins der Unternehmensführung beibringt und ihm noch Jahre später als Coach beratend zur Seite steht. Während andere in ihrer freien Zeit die Wellen reiten, besucht Marcus Linnepe Rhetorik-Seminare, beschäftigt sich mit NLP und probiert Verkaufsstrategien aus. Mit vielen neuen Eindrücken und noch mehr neuem Wissen im Gepäck fliegt der inzwischen 23-Jährige zurück nach Deutschland, um in Ennepetal dem väterlichen Betrieb für Wohnmobil-Zubehör aus einer Krise zu verhelfen. „Mein Vater war ein technisches Genie, interessierte sich jedoch nicht für Produktreife oder Markteinführungen. So kam es, dass einige Produkte floppten“, erinnert sich Sohn Marcus. Statt die Geschäfte weiterzuführen, stürzt er sich in die Sanierung der Firma. Tatsächlich kann er sie vor dem Konkurs bewahren und verkaufen. Heute ist der Betrieb wieder in Familienbesitz.

Für jedes Problem eine Lösung
Dass er eine Begabung und Leidenschaft dafür hat, Menschen zu begleiten und sie zu beraten, spürt der Herdecker sehr früh. „Es lag mir schon immer am Herzen, Wissen weiterzugeben und dem mittelständischen Unternehmer zu helfen, besser zu werden und seine Ziele zu erreichen. Hoffnung zu geben und Wege aufzuzeigen.“ Diese Hoffnung treibt ihn auch heute, fast dreißig Jahre später, noch an.
Nach der Sanierung des väterlichen Unternehmens arbeitet er bei einer Unternehmensberatung und gründet noch vor
seinem dreißigsten Lebensjahr eine Gesellschaft für Wirtschaftsberatung. Als Aufsichtsrats- und Beiratsmitglied
verschiedener Firmen, in die er damals investiert, um sie zu restrukturieren, lernt er alles, was er für seinen weiteren
beruflichen Weg braucht. Vor allem, auch mal Nein zu sagen. „Wenn ich von Banken oder Unternehmern zur
Restrukturierung geholt wurde, hatte ich eine gegebene Situation und hab das Beste daraus gemacht. Das war meine DNA: Geben Sie mir ein Problem und ich sehe, wie ich das irgendwie löse. Als Beteiligungsgesellschaft und Investor hätte ich aber auch mal Nein sagen müssen und Firmen nicht kaufen sollen. Hinzu kam dann die Finanzkrise, kurz: Das war keine rühmliche Zeit, aber eine sehr lehrreiche Erfahrung“, resümiert er die Zeit von damals, während gleichzeitig vor seinem Bürofenster ein Bagger Erde schaufelt und Bauarbeiter einen neuen Weg anlegen. 2012 steigt er aus und gründet mit dem Kernteam der Beratungsgesellschaft die CANEI statt aufzukaufen, zu restrukturieren und zu sanieren, fokussiert sich Marcus Linnepe wieder mehr auf die Beratung.
2016 fragt ihn ein Freund, ob er nicht einem Bekannten helfen könne. Dieser hat ein kleines Unternehmen mit einer Million Euro Umsatz. Eigentlich kein Geschäft, das sich lohnt. Doch der Berater lässt sich darauf ein. „Der Unternehmer kam aus Kiel zu mir nach Herdecke, ich habe mir seine Situation auf meiner Terrasse zwei Stunden lang angehört und ihm gesagt, was ich tun würde. Dann fuhr er wieder und ich dachte, selbst den Freundschaftspreis, den ich ihm genannt hatte, würde er nicht zahlen können. Am nächsten Tag war das Geld jedoch auf meinem Konto und ich bin mit einem Kollegen nach Kiel gefahren“. Wenige Tage darauf hatten sie das Problem des Unternehmers gelöst, die Banken waren mit an Bord, ebenso die Gesellschafter. Auf dem Rückweg von Kiel hatten Marcus Linnepe und sein Kollege dann die Idee für die Software Canei.digital. Ein Wendepunkt.

Unternehmensberatung neu gedacht
Die Idee ist einfach, aber dennoch besonders: Viele mittelständische Betriebe können sich eine eigene
Unternehmensberatung nicht leisten. Doch für Buchhaltung, Controlling und Reporting fehlen die Ressourcen.
Steuerberater greifen den Betrieben zwar unter die Arme, es fehlt vielen Unternehmern jedoch an Wissen oder Zeit, sicheingehend mit den Unterlagen des Steuerberaters zu beschäftigen – sie werden abgeheftet und vergessen. Eine solide Finanzplanung, Investitionsstrategie und Risikokapitalbewertung werden nicht gemacht. Gerade bei Firmen, die schnell wachsen oder aus irgendwelchen Gründen (und sei es eine weltweite Pandemie) in eine Krise geraten, kommen irgendwann in eine finanzielle Schieflage.
Damit es nicht so weit kommt, haben Linnepe und sein Team eine Software entwickelt, die eine digitalisierte
betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung als „Software as a Service“ anbietet. Bezahlbar im Abo-Modell und dank Video-Handlungsempfehlungen für verschiedene Benchmarks auch leicht verständlich. Das Credo: „Wir stellen den Status quo in der Unternehmensberatung auf den Kopf.“
Inzwischen gliedert sich die CANEI in verschiedene Bereiche: Neben der klassischen Unternehmensberatung für einige langjährige Kunden steht die digitale Unternehmensberatung kleinerer mittelständiger Betriebe im Mittelpunkt. Für diesen Ansatz gewann das Unternehmen 2018 die „BDU Digital Challenge“ des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU). Zu Beginn der Corona-Pandemie erweiterte Marcus Linnepe sein Portfolie für Fitnessstudios und Firmen aus dem Sportsektor; ein Schritt, die den sportbegeisterten Unternehmer besonders freut.

Wissen weitergeben
Canei ist ein Akronym und steht für: „Constant And Never Ending Improvement“. Auch nach vielen erfolgreichen Jahren ist eben dieser für Marcus Linnepe keine Selbstverständlichkeit. Erfolg sollte jeden Tag neu erarbeitet und erkämpft werden. Mit einer Stimme, die gut auch Hörbücher einsprechen könnte, erklärt der Gründer von Canei, dass vor allem die (in dem Betrieb arbeitenden) Menschen und eine gute Unternehmensführung Erfolgsfaktoren sind – weniger das finanzielle Ergebnis am Ende eines Quartals oder Geschäftsjahres. So steht er selbst jeden Morgen motiviert auf, um den zwanzig Angestellten in seiner Firma eine gute Führung vorzuleben. Wissen weitergeben ist dabei inzwischen ein Hauptanteil seiner Arbeit, der er nach wie vor leidenschaftlich nachgeht. Da kommt es ihm zugute, dass er nicht nur auf dreißig Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung zurückgreifen kann, sondern auch über einen schier unendlichen Fundus an Wissen verfügt, den sich der Autodidakt aus Fachbüchern angeeignet hat.
In den neuen Geschäftsräumen am Dortmunder Phoenixsee haben sie ein eigenes Aufnahmestudio eingerichtet, um über verschiedene Social-Media-Kanäle Videos und Tutorials online stellen und so über Finanzfragen aufklären zu können. „Europa ist, was die Kenntnisse über Finanzen und Unternehmensführungen angeht, weit hinten. Da können wir alle noch viel lernen“, gibt Linnepe zu und so ganz traurig klingt er darüber nicht. Die Reise ist noch nicht vorbei.